Das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten lassen
Zutiefst ergriffen und mit Tränen in den Augen zogen zuletzt verschiedene Schüler des 11. Jahrgangs des Tilman-Riemenschneider-Gymnasiums über die Gedenkstätte im Vernichtungslager Auschwitz. Sie verbrachten gemeinsam mit drei Lehrern eine Woche in Krakau, um sich dort mit den Verbrechen des NS-Regimes und der Massenvernichtung zu der damaligen Zeit auseinanderzusetzen.
Trotz intensiver Vorbereitung, die zuvor noch in Osterode stattgefunden hatte, waren viele Schüler vom tatsächlichen Anblick der Gedenkstätte im höchsten Maße geschockt und ergriffen.
„An dem Ort zu stehen, an dem Millionen unschuldige Menschen auf grausamste Weise ihr Leben gelassen haben, darauf kann man sich nicht vorbereiten“, so eine Schülerin, „egal wie viele Dokumentationen man gesehen oder Information im Unterricht stattgefunden hat.“
Die Fahrt der etwa 30 Schüler begann am ersten Tag mit der Besichtigung der Altstadt von Krakau. Ein eigener Stadtführer zeigte das ehemalige Judenviertel, Ghettos und Originalschauplätze des Films „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg und präsentierte umfangreiches Detailwissen. Im Anschluss wurde die Fabrik der Hauptperson des Films, Oskar Schindler, besichtigt. Der Unternehmer bewahrte während des 2.Weltkrieges etwa 1.200 Juden vor dem sicheren Tod. Schon hier waren die Eindrücke für manche Schüler überwältigend. Es gab Nachbauten von beengten Kellergehäusen, in denen sich über zwei Jahre lang zehn Juden versteckt hatten, ohne je das Tageslicht zu sehen. Für die meisten Schüler waren schon zwei Minuten in diesen Räumen zu viel.
An den darauffolgenden Tagen wurde das Vernichtungslager Auschwitz I besucht. Als die Schüler unter dem berühmten Eingangstor mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ hindurchgingen, herrschte Stille. Jeder hing seinen Gedanken nach.
Es wurden verschiedene Ausstellungen besucht, die in den ehemaligen Unterkunftsbaracken der Gefangenen aufgebaut sind und zahlreiche Informationen liefern. Vor allem beim Anblick von Kleidung, Schuhen, Kämmen, Brillen, Haaren und Spielzeug der Opfer der Nationalsozialisten waren alle zutiefst bewegt. Diese Bilder prägten sich in die Köpfe ein und werden so schnell nicht mehr in Vergessenheit geraten.
„Diese Gegenstände zu sehen ist so schrecklich, da man genau weiß, dass sie einmal echten Menschen gehört haben. Sie sind unschuldig zu Opfern geworden durch die Willkür und Grausamkeit eines Regimes“, wie es eine Schülerin auf den Punkt brachte und die Gefühle der gesamten Gruppe beschrieb.
Begleitet wurde diese Besichtigung von der Schilderung grausamer Fakten, wie beispielsweise, dass jüdische Männer gezwungen wurden, eigene Familienangehörige zu verbrennen oder die Beschreibungen von Forschungen des NS-Arztes Josef Mengele, der an Häftlingen menschenverachtende Experimente durchführte.
Ein weiterer besonders schockierender Moment war, als die Schüler in die Gaskammern geführt wurden und danach weiter zum Krematorium, wo sie sich den Originalöfen gegenüber sahen, in denen einst die Körper von Unschuldigen verbrannt worden sind.
Im Anschluss ging es für die Gruppe an einen Workshop auf dem Gelände der Gedenkstätte. Dieser setzte sich mit der Organisation und Dokumentation der Massenmorde auseinander. Es wurden Totenscheine, Formulare der SS und Fotobände begutachtet. Man kam zu dem Schluss, dass es ausschließlich um die möglichst schnelle und effektive Vernichtung von Millionen ging, die aus diesem Grund zu großen Teilen nicht einmal identifiziert wurden oder aber deren Tod durch gefälschte Dokumente beglaubigt worden war.
Am letzten Aufenthaltstag wurde dann Auschwitz II-Birkenau besucht. Die Gruppe wurde durch die Unterkünfte der Gefangenen geführt, die einmal für Tiere entworfen worden waren. Die Höchstüberlebensdauer der nun hier nächtigenden Arbeiter betrug drei Monate.
Es wurde die Rampe besichtigt, an der ein einzelner Mensch durch einen Wink mit dem Finger über den sofortigen Tod eines Gefangenen entscheiden konnte. Außerdem sah man Teiche, die im Sonnenlicht eigentlich sehr idyllisch wirkten. Nachdem berichtet wurde, dass hier die Asche von Millionen Vergaster verstreut worden war, kam die Atmosphäre jedoch eher der eines Friedhofes gleich.
Nach dieser hochemotionalen Studienfahrt wollten die Lehrer ihren Schülern die Gelegenheit geben, das Erlebte zu verarbeiten, indem sie eine anonyme Reflexion über die Zeit in Krakau verfassen ließen. Bei einem Nachbereitungstreffen im Gymnasium lasen die Mitgereisten die Berichte der jeweils anderen und besprachen die Ergebnisse gemeinsam. Es kam zum Ausdruck, dass keiner die Fahrt bereut und dass die Schüler sich durch die Erfahrung und das Gesehene viel bewusster sind, wie glücklich sie sich schätzen können in Freiheit zu leben und dass jeder dafür verantwortlich ist, dass sich so etwas nicht noch einmal zutragen darf. Gerade in der heutigen Zeit, in welcher oft die Rede von Fremdenhass und dem Aufschwung rechter Gruppen ist. Sich diesem mehr bewusst zu werden, dabei kann ein Besuch in Auschwitz helfen.
„Es geht nicht darum, jemandem die Schuld für diese grausamen Verbrechen zuzuweisen, sondern darum, klar zu machen, dass jeder Mensch, ganz gleich welcher Nationalität, dafür verantwortlich ist, dass sich so etwas nie wiederholt“, so das Schlusswort eines Schülers.