Der Austausch mit dem Liceum Ogólnoksztalcace im masurischen Ostróda, dem ehemaligen Osterode in Ostpreußen, hat eine mehr als zwanzigjährige Tradition.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nahmen Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Osterode schnell Kontakt nach Ostróda auf, um an alte Traditionen anzuknüpfen. Das masurische Osterode wurde im Mittelalter von deutschen Siedlern aus Osterode am Harz, die dorthin auswanderten, gegründet. Der Schüleraustausch gehört in den großen Zusammenhang der Städtepartnerschaft, die zu Beginn der 1990er Jahre geschlossen wurde. Wir werden von der Stadt Osterode stark unterstützt, wofür wir sehr dankbar sind. Die Teilnahme an der Fahrt nach Ostróda kostet für die Schülerinnen und Schüler momentan lediglich 60 €.
Die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler kommen aus dem 11. Jahrgang. Deren Anzahl war in den vergangenen Jahren stark schwankend (zwischen 12 und 25), da sie sich nach der Anzahl auf polnischer Seite richtet. Von der Stadtverwaltung wird ein großer Bus gebucht, den sich das Tilman- Riemenschneider- Gymnasium, die Realschule auf dem Röddenberg und alle zwei Jahre auch die Hauptschule Neustädter Tor teilen.
Traditioneller Weise kommt die polnische Gruppe im April zunächst nach Osterode. Die Besuchswoche startet mit einer kurzen Begrüßung am Sonntag Abend. Zu diesem Zeitpunkt hat die polnische Gruppe schon die lange Fahrt und einen Tag Sightseeing in Berlin hinter sich. Deshalb klingt dieser Abend dann schnell in der Familie aus. Am Montag findet die offizielle Begrüßung mit einem bunten Programm, an dem viele Gruppen aus der Schule beteiligt sind, statt. Kreative Aktionen und Spiele im Anschluss sollen das gegenseitige Kennenlernen fördern. Im Verlauf der weiteren Woche gibt es immer einen Projekttag, der schon ganz unterschiedlich gestaltet wurde. So sang z.B. schon ein deutsch- polnischer Chor in der Pausenhalle, es wurden Mosaike oder Kalender hergestellt sowie Sportturniere und sogar ein Flashmob in der Fußgängerzone organisiert. Ein Ausflugstag in die Harzer Umgebung schließt sich an. Beispielhafte Ziele waren Wernigerode, das Museumsbergwerk im Rammelsberg oder die Sommerrodelbahn in Hahnenklee. Eine Fahrt in den Heidepark nach Soltau und natürlich die Abendgestaltung, bei der die Schülerinnen und Schüler unter sich sind, runden das Programm ab.
Im Mai oder Juni erfolgt der Gegenbesuch in Ostróda. Dort werden wir ebenfalls mit einem bunten Programm aus Musik, Tanz und einem deutschen Theaterstück, das eigens für uns einstudiert wird, begrüßt. Bei einer Bootsfahrt auf dem Drewenz-See, an dessen Ufer Ostróda malerisch gelegen ist, können wir anschließend die masurische Landschaft genießen. Ein fester und zugleich sehr bewegender Bestandteil ist immer die Besichtigung der KZ- Gedenkstätte Stutthoff. Nur eine Stunde davon entfernt liegt die alte, wunderschöne Hansestadt Danzig, deren Erkundung sich anschließt. Der Tag klingt bei gutem Wetter am Ostseestrand in Sopot oder Gdynia aus. An den weiteren Tagen fanden schon ganz unterschiedliche Aktionen statt: eine Fahrt in die pulsierende Hauptstadt Warschau oder ins nahegelegene Olszytn, Grillen am Schloss Karnity, Besuche in einer Glasbläserei oder in einem masurischen Freilichtmuseum, um nur einige Beispiele zu nennen. Auf dem Rückweg nach Hause legten wir oft noch einen Zwischenstopp in der schönen Stadt Torun mit ihrem traditionsreichen und zugleich studentisch- jungen Flair ein.
All diese Ausflüge, Aktionen und Programmpunkte sowohl in Polen als auch in Deutschland machen viel Spaß, und die Schülerinnen und Schüler können neue Regionen kennenzulernen und sich kreativ betätigen. Das Wichtigste sind aber die Beziehungen und manchmal sogar Freundschaften, die die polnischen und deutschen Schülerinnen und Schüler miteinander knüpfen können. Es kam schon des Öfteren vor, dass sie sich nach dem Austausch noch besucht haben oder miteinander im Kontakt geblieben sind.
Das deutsch- polnische Verhältnis war in den vergangenen Jahrhunderten oft schwierig. Der traurige Höhepunkt war die nationalsozialistische Schreckensherrschaft. Deshalb sind wir glücklich darüber, dass wir mit diesem Austausch im europäischen Geist einen kleinen Beitrag zu einem guten Nachbarschaftsverhältnis zu Polen und damit zur Völkerverständigung leisten können.